Mit CDU und SPD präsentierten sich die beiden größten Wahlverliererinnen als künftige Koalitionspartner. Doch neben der SPD hält die CDU sicherheitshalber ihrem bisherigen Koalitionspartner und ebenfalls Wahlverlierer FDP mittels einer Kooperation die Treue. „Mit einer derartigen Koalition der Verliererinnen wird Bad Vilbel die notwendigen Veränderungen im Bereich Klimaschutz, Verkehr, Sozialem und dem Miteinander nicht schaffen“, stellt Kathrin Anders, Fraktionsvorsitzende der Grünen, nüchtern fest.
Die Grünen haben eingehend den Koalitionsvertrag analysiert. Von den beschriebenen Themen und Projekten, sind bereits annährend 40% in der Realisierung oder beschlossen. Bei den übrigen herrscht größte Unverbindlichkeit vor. „Aus dem vorgelegten Koalitionsvertrag lässt sich nicht herauslesen, wohin diese Koalition die Stadt entwickeln möchte. Es soll offensichtlich gerade so weitergehen, als hätte es die Kommunalwahl und die Corona-Krise gar nicht gegeben. Angesichts der Herausforderungen durch die Corona-Krise, die Verkehrsentwicklung, den Erzieher:innenmangel und den Klimawandel ist dieses Regierungsprogramm eher ein Progrämmchen, als ein Signal des Aufbruchs für ein Bad Vilbel, das die bestehenden Probleme angegangen und gelöst werden“, findet Jens Matthias, der Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen. Auch fachlich wirft die Vereinbarung Fragen auf. So soll z.B. eine Stabsstelle für Umwelt- und Klimaschutz im Fachbereich Soziale Sicherung angesiedelt werden. „Wer meint, Klima- und Umweltschutz muss zuerst im Sozialbereich ansetzen und nicht bei Verkehr oder im Grünflächenamt, erweckt keinen vertrauensvollen Eindruck.“
Der verbindlichste Teil des Vertrages befasst sich mit der Art der Zusammenarbeit und die Verteilung der zu besetzenden Posten. Die Koalitionäre wollen alles minutiös vorbesprechen, um auf jeden Fall zu vermeiden, dass jemand aus der Koalition nicht „richtig“ abstimmt. Und völlig ungewöhnlich für eine solche Vereinbarung ist, dass schon jetzt beschreiben wird, wer die Schuld trägt, wenn die Koalition platzt. „Das alles zeugt nicht von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit. Stabilität wird hier nicht durch Vertrauen angestrebt, sondern durch Kontrolle durch den größeren Partner“, sagt Jens Matthias.
Die Aussage der Koalition, dass die Beherrschung der deutschen Sprache eine Grundvoraussetzung für das Zusammenleben in Bad Vilbel ist, irritiert die Grünen. „In der Stadt der Europäischen Schule Rhein-Main, vielen ausländischen Mitbürger:innen, einer Stadthalle mit international klingendem Namen, wundert es uns sehr, dass die Koalition festlegt, wer in Bad Vilbel willkommen ist und wer nicht“, sagt Kathrin Anders. „Konkrete Maßnahmen zur Förderung der Integration und des Zusammenlebens findet man dagegen im Koalitionsvertrag nicht.“
Kathrin Anders resümiert: „Wir werden die Arbeit der Koalition nicht an diesem Vertrag messen, sondern an den Problemen der Bürgerinnen und Bürger.“
Clemens Breest, Vorsitzender der Grünen, berichtet, dass seit der CDU-Meldung, mit der SPD koalieren zu wollen, es zahlreiche Rückmeldungen von enttäuschten Bürgerinnen und Bürgern gibt. Darunter CDU-Anhänger:innen und selbst SPD-Mitglieder, die auf eine andere Koalition gehofft haben. Auch zu Parteieintritte ist es seitdem gekommen. Clemens Breest erklärt: „Das alles motiviert uns Grüne umso mehr, das politische Kraftzentrum für diese Stadt zu sein. Bad Vilbel darf nicht Opfer einer ambitionslosen Koalition werden. Im September bietet sich den Bürger:innen die Gelegenheit zunächst im Bund einen Aufbruch durch eine Grüne Kanzlerin zu wählen. Und im nächsten Frühjahr können sie den Aufbruch für Bad Vilbel bei der Bürgermeister:innenwahl starten.“
Rede von Jens Matthias, gehalten zur konstituierenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung