Am 4. Mai 2016 fand in Berlin vor dem Bundeskanzleramt eine Demonstration mit ca. 4.000 Teilnehmern statt. Von der Regierung ließ sich niemand blicken, was wir alle bedauerlich fanden. Bei der Kundgebung haben die Behindertenverbände und Sozialverbände ihre Forderungen nach einem uneingeschränkten Teilhabegesetz ohne Hindernisse gestellt. Dabei wiesen sie darauf hin, dass das neue Gesetz Menschen mit Behinderungen in Zukunft zum Teil sogar schlechter stellen wird.
Der Demonstrationszug bewegte sich anschließend vom Bundeskanzleramt zum Brandenburger Tor. An der Demonstration waren Menschen mit verschiedenen Behinderungen beteiligt. Für mich war es sehr interessant zu erleben, dass wir trotz verschiedener Behinderungen gemeinsam demonstriert und für ein Ziel gekämpft haben. Das war in der Vergangenheit aufgrund von Kommunikationsschwierigkeiten nicht der Fall. In der heutigen Zeit machen es soziale Medien und Gebärdensprachdolmetscher möglich, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen.
Kurz zum Bundesteilhabegesetz: Leider wurde in den Medien kaum über die Entwicklung des neuen Bundesteilhabegesetzes berichtet. Das bestehende Sozialgesetzbuch soll reformiert werden, weg vom herrschenden System der Fürsorge hin zu einem, das ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Zurzeit ist es so, dass ein Schwerstbehinderter nur ein Vermögen in Höhe von 2.600,00 Euro besitzen darf, um die Leistungen für weitere Hilfen vom Staat in Anspruch nehmen zu können. Das Einkommen des Lebenspartners / Ehepartners wird mit angerechnet, so dass sich eine Lebensgemeinschaft in der Beziehung nicht lohnt. Eine Altersvorsorge ist nicht möglich.
Das neue Bundesteilhabegesetz soll in Zukunft weitere Hilfen für ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen und die Einkommens- und Vermögensgrenze anheben. Für Menschen mit Hörbehinderungen ist neu, dass mit diesem Gesetz die Kosten für Gebärdensprachdolmetscher im sozialen Bereich geregelt sind. Das bedeutet, eine Teilhabe im sozialen Bereich wird durch das neue BTHG möglich.
Der Haken dabei ist: Das neue Gesetz soll ab 2017 in Kraft treten und in zwei Schritten zu einem vollständigen Bundesteilhabegesetz ausgebaut werden. Die Einkommens- und Vermögensgrenze soll in zwei Schritten bis zum Jahr 2020 angehoben werden. Das Einkommensgrenze soll angehoben werden bis zu einer Höhe von 85 % der Bezugsgröße, die jährlich durch die Sozialversicherungsträger ermittelt wird. Die Vermögensgrenze soll bis auf 150 % der Bezugsgröße angehoben werden. Zurzeit liegt die Bezugsgröße bei 100 % = ca. 34.500 Euro. Trotzdem ist es zum Beispiel nicht möglich, für die Altersvorsorge eine Immobilie zur Selbstnutzung anzuschaffen, da dies die Vermögensgrenze überschreitet. Was ich in diesem Fall grotesk finde: Der Staat wird am Ende wieder einspringen und den Betroffenen eine Grundsicherung gewähren müssen, da diese Zielgruppe nicht ausreichend für die Altersvorsorge sparen kann.
Alle Menschen mit Behinderungen kämpfen für ein gerechtes Bundesteilhabegesetz, das einkommens- und vermögensunabhängig ist, um eine 100-prozentige Teilhabe am Leben und in der Gesellschaft möglich zu machen.
Sascha Nuhn