Mit Bürgerräten der Politikverdrossenheit entgegenwirken

Grüne diskutieren mit Bürgerinnen „Ein Bürgerrat für Bad Vilbel?“

Jana Peters, Vorsitzende

Die Grünen in Bad Vilbel luden vor einigen Tagen interessierte Bürgerinnen und Bürger ein, um mit Ihnen die Möglichkeit eines Bürgerrats für Bad Vilbel zu diskutieren. Dazu hatten sie Thorsten Sterk vom Verein Mehr Demokratie e.V. zu Gast. Er ist für die Öffentlichkeitsarbeit in dem bundesweit tätigen Verein verantwortlich, der sich für mehr Bürgerbeteiligung in Deutschland einsetzt. Die versammelten Bürger:innen diskutierten sehr angeregt und teils recht kontrovers die Notwendigkeit einer effektiven und repräsentativen Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger:innen in Bad Vilbel.

Bürgerräte vorteilhaft für Bürger:innen und Politiker:innen

Jana Peters, Vorsitzende der Grünen in Bad Vilbel, ist sich sicher: „Ein Bürgerrat ist ein sehr sinnvolles ergänzendes Beteiligungselement für eine lebendige Demokratie. Es profitieren beide Seiten: Die Bürger:innen können ihre Stadt in einem attraktivem Rahmen aktiv mitgestalten. Und die Politik erhält Lösungsansätze und profitiert zudem von der positiven Wahrnehmung in der Stadtgesellschaft. Denn durch einen Bürgerrat fühlen sich auch diejenigen mehr gehört, die gar nicht selbst Teilnehmende des Bürgerrats sind. Zudem steigt das Verständnis für politische Prozesse und Entscheidungen enorm und Politikverdrossenheit wird der Boden entzogen.“ Die Grünen in Bad Vilbel werden sich deshalb für den Einsatz von Bürgerräten stark machen.

Derzeitige Beteiligungsangebote erreichen Bürgerschaft nicht

Bei dem Austausch wurde zwar festgestellt, dass Bad Vilbel bereits sehr viele Gremien unterhält, bei denen sich Bürger:innen einbringen könnten: Ortsbeiräte mit Bürgersprechstunden, Senioren- und Ausländerbeirat oder auch die lokale Partnerschaft „lebendige Zentren“. Doch die Besucherzahlen stellen diesen Gremien kein gutes Zeugnis aus. Selbst wer sich als Bürger:in in einem städtischen Gremien aktiv einbringen möchte, muss ein aufwändiges Prozedere innerhalb einer Partei durchlaufen und sich gleich für fünf Jahre verpflichten. Angesichts der schnelllebigen Zeit mit beruflichen und familiären Veränderungen eine inzwischen für viele Bürger:innen lebensferne Praxis. Bleiben noch die vorgeschriebenen Bürgerversammlungen jedes Jahr. Doch in Bad Vilbel dienen diese weniger der Diskussion als schlichtweg der frontalen Bürgerinformation mit anschließender Möglichkeit Fragen zu stellen. Jana Peters schlussfolgert: „Das derzeitige Angebot an Beteiligungsmöglichkeiten erreicht die meisten Bürger:innen nicht. Der Wille, sich für seine Stadt einzubringen, ist schnell im Keim erstickt und kommt erst wieder auf, wenn der Schuh ganz arg drückt. Dabei wäre es gerade für große Vorhaben sinnvoll, die Bürger:innen früh einzubeziehen – bevor es zu Protesten und Petitionen kommt. Es gilt die Anregungen der Bevölkerung zu nutzen, um die bestmögliche Lösung für alle Betroffenen zu finden. Und genau dafür bieten sich Bürgerräte als Ergänzung der Stadtpolitik an.“

Ein Bürgerrat ist ein geeignetes Mittel, eine Gruppe von Menschen, die der tatsächlichen Zusammensetzung der Stadtbevölkerung entspricht, für einen begrenzten Zeitraum an der Antwort für eine konkrete Fragestellung unter fachlicher Beratung arbeiten zu lassen. Am Ende eines Bürgerrats steht eine Empfehlung an Magistrat und Stadtverordnete, die in ihren Beschlüssen sich daran orientieren können. So entgehen politische Vertreter:innen der Gefahr, an den Belangen der Bevölkerung vorbei oder nur lautstarken Einzelgruppen folgend ihre Beschlüsse zu fassen.

Offene Diskussionen ohne Fraktionszwang und außerhalb der eigenen Filterblase

Bei einem Bürgerrat werden eine bestimmte Anzahl Personen aus dem Melderegister angeschrieben und aus den Interessierten wird eine möglichst repräsentative Gruppe ausgewählt, die dann für einige Treffen zusammenkommt und zur Fragestellung der Bürgerrats diskutiert. „Wie soll Mobilität in Bad Vilbel gestaltet werden?“ oder „Welche Klimaschutzmaßnahmen sollen in Bad Vilbel umgesetzt werden?“ könnten Themen für so einen Bürgerrat sein. Und dann geht es los: Den Teilnehmenden werden die nötigen technischen und wirtschaftlichen Informationen zur Beantwortung dieser Fragestellung geboten. Die Diskussionen unter den Teilnehmenden, die die Meinungsvielfalt der Stadtgesellschaft widerspiegeln, wird in Tischrunden moderiert, so dass jede Meinung geäußert werden kann. Die Teilnehmenden können so angstfrei, ohne Fraktionszwang und außerhalb der eigenen Filterblase sich mit anderen zu einem Thema konstruktiv auseinandersetzen. Nach einigen Treffen entstehen so konkrete Empfehlungen der Bürger:innen. Diese Empfehlungen werden am Ende abgestimmt und an die Stadt übergeben. Die Stadt ist bestenfalls in diesem Prozess von Anfang an involviert und schaut nun genau, welche Empfehlungen sich wie umsetzen lassen. Die letztendliche Entscheidung haben die Stadtverordneten. Doch die Qualität ihres Beschlusses kann aufgrund einer solchen Empfehlung enorm gesteigert werden.

Viele Kommunen in Deutschland haben bereits Erfahrungen mit Bürgerräten gesammelt: 72 Verfahren dieser Art wurden bislang realisiert, über alle Parteigrenzen hinweg. Und selbst die Konrad-Adenauer-Stiftung empfiehlt Bürgerräte als Beteiligungsformat.

Präsentation „Ein Bürgerrat für Bad Vilbel?“ von Thorsten Sterk